Samstag, 25. Juni 2022

Urteil: Imker erhält Schadensersatz für verunreinigten Honig

Nach einem fast einjährigen Prozess hat das Landgericht in Frankfurt an der Oder einem Imker diese Woche Schadensersatz für seinen mit Glyphosat verunreinigten Honig zugesprochen. Eine Zivilkammer des Gerichts gab der Klage des Mannes statt, wie ein Gerichtssprecher sagte. Das beklagte landwirtschaftliche Unternehmen muss dem Brandenburger Imker Sebastian Seusing nun 14.544 Euro zahlen.


Dieser sei mit seiner Klage "voll umfänglich durchgedrungen", betonte der Gerichtssprecher. Die Zivilkammer sah demnach in der Kontamination des Honigs mit Glyphosat eine Eigentumsverletzung. Das von niederländischen Investoren geführte Agrarunternehmen, das das Pflanzenschutzmittel auf der Fläche neben den Bienenkästen im Landkreis Barnim versprüht hatte, beging nach der Einschätzung des Gerichts eine "rechtswidrige fahrlässige Pflichtverletzung". Dem Sprecher zufolge betonte die Vorsitzende Richterin, dass die Bienenkästen Seusings weitgehend sichtbar aufgestellt waren. Landwirte müssten in solchen Fällen notfalls auch Mehraufwand betreiben und dafür haften, um einen Totalschaden für die Imker zu verhindern. Das Urteil sei jedoch keine Entscheidung darüber, ob ein konventionelles Unternehmen immer mit Bienenflug rechnen müsse. Zudem können noch Rechtsmittel gegen den Schiedsspruch eingelegt werden.

"Für alle Imker ist das eine neue Situation, sie können sich jetzt auf dieses Urteil berufen, und viele Imker werden sich trauen, ihren Honig überprüfen zu lassen oder gegen den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln zu klagen", gab sich Kläger Seusing zuversichtlich, dass das Urteil de facto doch zu einem Grundsatzurteil werden könnte.


Seusing hatte im Frühjahr 2019 Bienenkästen neben einer von dem Agrarunternehmen bewirtschafteten Fläche aufgestellt, ohne dieses darüber zu informieren. Ende April 2019 behandelte das Unternehmen den dort reichhaltig blühenden Löwenzahn mit glyphosathaltigen Pflanzenschutzmitteln, um das Feld für den Maisanbau vorzubereiten. Den glyphosatbelasteten Nektar beziehungsweise die belasteten Pollen trugen die Bienen zwei weitere Tage in den Stock ein, ehe die Pflanzen abstarben. Der Imker musste sowohl das Wachs als auch vier Tonnen Honig vernichten - eine Maßnahme, die auch das Aus seiner Imkerei bedeutete. Der Kläger arbeitet nun für einen Biohof in Schleswig-Holstein.

Anschließende Laboranalysen des Honigs ergaben der Aurelia Stiftung zufolge, dass die zulässigen Rückstandshöchstmengen für Glyphosat bis zu 152-fach überschritten wurden. Seusing reichte deshalb - unterstützt von der Stiftung - eine Schadensersatzklage gegen das Unternehmen ein. Die Aurelia Stiftung setzt sich nach eigenen Angaben für den Schutz der Bienen und den Erhalt der Artenvielfalt ein. Sie erwartete, dass der Prozess und nun vor allem das Urteil Signalwirkung für Politik und Landwirtschaft haben.


"Wir hätten uns gewünscht, dass die Richterin in ihrer Begründung schreibt, dass Bienen zur Landwirtschaft dazugehören und der Landwirt immer damit rechnen muss, dass das, was er spritzt, Bienen erreicht", bedauerte Stiftungsvorsitzender Thomas Radetzki. Schließlich bewegten sich Imker angesichts der intensiven Landwirtschaft in Deutschland immer auf "dünnem Eis". 130.000 Freizeitimker gebe es hierzulande - sie alle müssten gewährleisten, dass der Honig laut Lebensmittelgesetz "verkehrsfähig" sei. Imker machten sich also strafbar, wenn sie ihr Produkt nicht auf mögliche Belastungen hin untersuchen ließen. Radetzki nannte dies den falschen Ansatz. Er forderte eine Agrarwende, mit der die Anwendung von Pestiziden in blühenden Pflanzenbeständen grundsätzlich verboten werde.

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