Samstag, 29. Januar 2022

Social Distancing unter Bienen

Einer Studie zufolge beherrschen Bienen bei einem Virusbefall genau das, was wir Menschen derzeit beim Corona-Virus beherzigen sollten: das Social Distancing. Wie der Entomologe Adam G. Dolezal von der Universität Illinois im US-Bundesstaat Michigan und sein Team herausfanden, scheinen die Insekten infizierte Tiere zu erkennen und zu meiden. Doch an Eingängen zu fremden Stöcken würden infizierte Arbeiterinnen sogar besonders willkommen geheißen, weil das Virus deren Duft manipuliert. Wächterbienen verjagen die fremden Bienen deshalb nicht, sondern tauschen sogar Futter mit ihnen. - Ein Trick, mit dem das Virus seine Fortpflanzung absichert.

Für ihren Test nutzten die Forscher ein automatisiertes System, mit dem sie die Bewegungen und das Verhalten von über 900 individuell mit einem QR-Code markierten Bienen in drei Völkern verfolgten und auswerteten. Im ersten Stock infizierten sie einige Bienen mit einem nicht krank machenden, aber die Immunabwehr stimulierenden DNA-Fragment oder mit dem Israeli Acute Paralysis Virus/IAPV, das in den USA als zentraler Verursacher des Völkerkollaps gilt.

Die Reaktion der gesunden Bienen veränderte sich sowohl gegenüber den infizierten Schwestern als auch den immunstimulierten. Zwar wurden die betroffenen Bienen nach wie vor intensiv mit den Antennen abgetastet, aber die sogenannte Trophallaxis, die gegenseitige Fütterung mit flüssiger Nahrung, blieb weitgehend aus.


Während Bienen normalerweise mit Hunderten Partnern am Tag Nahrung, Hormone und Signalmoleküle miteinander teilten, mieden sie es mit Artgenossinnen, die mit einem Erreger kämpft oder deren Immunsystem aktiviert ist. Die Quoten waren so eindeutig, dass die Wissenschaftler sicher sein konnten, dass es sich um einen adaptiven sozialen Mechanismus handelt, mit dem Übertragungen im Stock reduziert werden sollen. 

In einem weiteren Experiment untersuchten die Forscher, ob sich auch das Verhalten fremder Bienen gegenüber infizierten Artgenossinnen verändert. "In der modernen Imkerei stehen Stöcke oft weniger als einen Meter voneinander entfernt, da verfliegen sich die Bienen schon mal", erklärte Amy Geffre. Vor allem geschwächte oder kranke Honigbienen verirrten sich häufiger auf dem Rückweg zum Stock und landeten in fremden Kolonien. Da dies die Übertragung von Erregern oder Varroamilben begünstigt, ist das Verhalten der Wächterbienen gegenüber diesen Zugereisten entscheidend. Deshalb platzierten die Forscher gesunde, immunstimulierte bzw. mit IAPV infizierte Arbeiterinnen gezielt an der Öffnung eines fremden Stocks. 

- Und fanden heraus, dass die gesunden und die immunstimulierten Arbeiterinnen von den Wächterinnen betastet und als fremd erkannt wurden. Die Wächterbienen bedrohten sie und ließen sie nicht passieren. Anders dagegen bei den infizierten Arbeiterinnen. Diese erlebten signifikant weniger Aggression und weckten darüber hinaus eine Pflege- und Futteroffensive der Wächterbienen. Diese behandelten sie eher wie ausgelaugte Stockgefährtinnen und öffneten dadurch dem Krankheitserreger IAPV Tür und Tor.



Als Grund, warum Honigbienen innerhalb eines Stocks zwar infizierte Artgenossinnen erkennen, Wächterinnen infizierte fremde aber mit Schwestern verwechseln, vermuteten die Forscher eine Manipulation des Dufts. Deshalb analysierten sie im nächsten Schritt vorhandene Kohlenwasserstoffe auf dem Panzer der Bienen. Jene Duftstoffe, über die die Bienen etwa die Stockzugehörigkeit und den Zustand ihrer Artgenossinnen erkennen. Tatsächlich zeigten sich auffällige Unterschiede bei acht dieser Verbindungen. Offenbar die Ursache dafür, dass Wächterinnen am Stockeingang weniger aggressiv auf infizierte Tiere reagierten als auf gesunde Fremdlinge. Zugleich ein eindeutiger Beweis dafür, dass ein krank machendes Virus seinen Wirt so manipulieren kann, dass die eigene Verbreitung optimiert wird. "Für ein Virus ist es überlebenswichtig, in eine neue Gruppe von Wirten übertragen zu werden. IAPV erhöht durch die Duftveränderung die Chance, dass eine infizierte Biene von Stock A Zugang zu Stock B erhält."

doi:10.1073/pnas.2002268117

Dienstag, 25. Januar 2022

Podcast zum "Lieblingsgift" der Bienen


Der abschließende Podcast zum diesjährigen Pestizidatlas ist mit "Causa Glyphosat" überschrieben. Im September dieses Jahr entscheidet sich nämlich, ob Glyphosat weiterhin in der EU eingesetzt werden darf oder ob es nach Jahren des erbitterten Streits verboten wird. Schon vor sieben Jahren stand das Totalherbizid, das Krebs erregend wirken kann, vor einem Verbot. Doch ein skandalumwittertes Zulassungsverfahren und der politische Alleingang des damaligen deutschen Bundeslandwirtschaftsministers Christian Schmidt/CSU verhinderten das. 

Warum Glyphosat immer noch auf dem Markt ist, warum es verboten gehört und welche verheerende Rolle es in der argentinischen Landwirtschaft spielt – darüber reden in diesem Podcast die Agrarreferentin des Bunds für Umwelt und Naturschutz/BUND, Katrin Wenz, Helmut Burtscher-Schaden, Umweltchemiker bei der österreichischen Umweltorganisation Global 2000 und Michael Alvarez-Kalverkamp, früherer Büroleiter der Heinrich-Böll-Stiftung in Santiago de Chile.

Samstag, 22. Januar 2022

Podcast zu enthemmten wirtschaftlichen Interessen


Im zweiten Teil der Podcast-Reihe zum Pestizidatlas 2022 geht es um die gesundheitlichen Folgen durch die ausgebrachte Chemie und die Interessen der Konzerne. Deren Dasein wird immer schwieriger, weil die EU stetig Pestizide verbietet. Aus 
der Welt sind die gefährlichen Wirkstoffe damit aber nicht. Denn Europas Konzerne exportieren sie nahezu ungestört in die Länder des globalen Südens. Was bei uns wegen der hohen Gefahren verboten ist, darf dort unter deutlich schlechteren Bedingungen eingesetzt werden. Dabei sind die Pestizide für den Einsatz in Afrika, Asien und Lateinamerika teilweise gar nicht geeignet. Die Folge: Viele Millionen Vergiftungsfälle im Jahr. 

Über diese Doppelstandards diskutieren Susan Haffmans, Referentin für Pestizide beim Pestizid Aktions-Netzwerk/PAN, die Agrarexpertin der Schweizer Menschenrechtsorganisation public eye, Carla Hoinkes, die auf Kenia und Nigeria spezialisierte Ökotoxologin Silke Bollmohr und der Naturwissenschaftler Wolfgang Bödeker, der eine Studie über weltweite Pestizidvergiftungen erstellt hat.

Dienstag, 18. Januar 2022

Podcast zu Pestiziden in der Landwirtschaft


Angeführt von der Heinrich-Böll-Stiftung haben Umweltverbände vergangene Woche den Pestizidatlas 2022 vorgelegt. In einer dreiteiligen Podcast-Reihe bewertet die Referentin der Stiftung für internationale Landwirtschaft, Christine Chemnitz, die Ergebnisse der weltweiten Studie. Im ersten Teil mit dem Koblenzer Umweltwissenschaftler Carsten Brühl und der Geschäftsführerin des Bündnisses für eine enkeltaugliche Landwirtschaft, Johanna Bär, geht es um den landwirtschaftlichen Anteil am Ausbringen von Chemikalien.

30.000 Tonnen Pestizide landen jedes Jahr auf deutschen Äckern. Die Folgen für die Umwelt sind dramatisch: Insektensterben, Pflanzenschwund, ausgelaugte Böden und verunreinigte Gewässer sind nur einige. Cocktails aus verschiedenen Pestiziden lagern sich an, manchmal jahrzehntelang. Folgen, die bei dem strengen Zulassungsverfahren aber kaum berücksichtigt werden. Ginge es nicht mit weniger Pestiziden? Auf gut die Hälfte könnte man ohne weiteres verzichten, sagen Kritiker. Länder wie Dänemark machen mit einer Pestizidsteuer vor, wie es gehen könnte.

Samstag, 15. Januar 2022

Pestizidatlas - 19 Kapitel reiner Horror

In Berlin haben mehrere Umweltorganisationen den diesjährigen Pestizidatlas vorgelegt. In 19 Kapiteln werden darin die Fakten rund um die ausgebrachte Chemie und ihre Folgen beschrieben.


Schon im Vorwort wird einem dabei ganz zweierlei, denn es wird festgehalten, dass der Einsatz von Pestiziden weltweit weiter stetig nach oben geht, obwohl die gesundheitlichen und ökologischen Folgen lange bekannt sind. Pro Jahr sind weltweit 385 Millionen Fälle von Pestizidvergiftungen dokumentiert. - Was uns Europäern nicht auffällt, weil vor allem Menschen in Entwicklungsländern davon betroffen sind. 
Darüber hinaus verschließen wir die Augen davor, dass unsere Unternehmen Spritzmittel herstellen und exportieren, die auf unserem Kontinent aus ökologischen oder gesundheitlichen Gründen nicht zugelassen sind.

Auf Platz eins der ausgebrachten Chemikalien stehen Unkrautvernichtungsmittel. Während Herbizide, die gegen ungewollte Pflanzen eingesetzt werden, die meistgenutzte Wirkstoffgruppe sind, haben Insektizide gegen Schädlinge zumeist noch schlimmere "Nebenwirkungen" - sie töten schon in kleinsten Mengen und meist auch Insekten, die gar nicht gemeint sind. Co-Autor Dave Goulson spricht im Pestizidatlas von einem "ökologischen Armageddon". 


Der komplette Pestizidatlas ist hier herunterzuladen.

Dienstag, 11. Januar 2022

18 Prozent mehr Insektizide im Jahr 2020 verkauft!

Die Verkaufsmengen von Pestiziden in der Landwirtschaft bleiben nach Daten des Bundesamts für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit (BVL) weiter hoch.

Nach kurzfristig rückläufigen Verkaufszahlen in den Jahren 2018 und 2019 fragten Landwirtinnen und Landwirte 2020 wieder deutlich häufiger Pflanzenschutzmittel mit problematischen Wirkstoffen nach, wie das Umweltbundesamt (UBA) in Dessau-Roßlau mitteilte. Dazu zählten etwa für Bienen gefährliche Insektizide und Herbizide, die das Grundwasser belasten. Vermutlich habe die außergewöhnliche Trockenheit 2018 und 2019 zu einem geringeren Pestizidabsatz geführt. 


"Seit über 40 Jahren ist der Absatz von Pflanzenschutzmitteln in der deutschen Landwirtschaft mehr oder weniger unverändert", erklärte Dirk Messner, der Präsident des UBA. Für eine zukunftsfähige Landwirtschaft müsse der Einsatz von chemisch-synthetischen Pflanzenschutzmitteln aber insgesamt deutlich reduziert werden. Besonders umweltschädliche Wirkstoffe sollten über nationale Verordnungen verboten werden können, so wie es bereits in Frankreich geschehe. Pestizidarme Anbaumethoden sowie der Ökolandbau und die ambitionierte Umsetzung des Integrierten Pflanzenschutzes gehören aus Sicht des UBA stärker gefördert. Auf nicht mit Pestiziden behandelten Agrarflächen müssten Rückzugsräume für Flora und Fauna geschaffen werden. Zu den Pestiziden zählen sowohl Pflanzenschutzmittel, die als Herbizide gegen Unkraut eingesetzt werden, als auch Mittel zur Schädlingsbekämpfung - die Insektizide. Beide gelten als Ursache für den Rückgang der biologischen Vielfalt und damit auch als Gefahr für Insekten und Vögel.


Die neue Agrarpolitik der EU sieht vor, bis 2030 die eingesetzte Menge an Pflanzenschutzmitteln zu halbieren, wie das UBA betonte. In Deutschland sollte das Ziel in den Nationalen Aktionsplan Pflanzenschutz aufgenommen und auch mit konkreten Maßnahmen hinterlegt werden. Behörden und die Wissenschaft schließlich bräuchten Informationen über tatsächlich angewendete Mengen und behandelte Flächen, forderte das UBA. Nötig sei hier eine "niedrigschwellige und sichere Infrastruktur", damit Landwirtinnen und Landwirte solche Daten digital übermitteln und Forschung und Behörden sie in anonymisierter Form nutzen können.

Das UBA verwies auf Daten des Bundesamtes für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit von Anfang Dezember. Demnach stiegen die Verkaufsmengen von Herbiziden 2020 um zwei Prozent im Vergleich zu 2018/2019 an. Bei den Insektiziden stieg der Absatz um 18 Prozent.

Samstag, 8. Januar 2022

Bienen beherrschen höhere Mathematik

Britische Wissenschaftler der Universität von Sheffield haben herausgefunden, dass Bienen nicht nur einfache, sondern auch höhere Mathematik beherrschen. Beim Nektarsammeln wenden die Tiere zahlreiche stochastische Regeln an, um die Ausbeute zu maximieren.


Schon seit einiger Zeit war bekannt, dass Bienen Zahlen unterscheiden und einfache Rechenaufgaben lösen können, obwohl sie nur über ein stecknadelkopfgroßes Gehirn verfügen. Jetzt fanden Forscher um den IT-Spezialisten HaDi MaBouDi heraus, dass sie auch Wahrscheinlichkeitsrechnungen anstellen, um sich bei der Futtersuche für die vielversprechendste Blüte zu entscheiden.

Methodisch präsentierten die Forscher Bienen bunte Scheiben in fünf verschiedenen Farben an. Je nach Farbe enthielten die Scheiben unterschiedlich häufig einen Tropfen Zuckerwasser oder einen Tropfen bittere Flüssigkeit, die den Bienen unangenehm war. In einer Trainingsphase erhielten die Bienen die Gelegenheit, die Belohnungswahrscheinlichkeiten der jeweiligen Farben auszutesten. Dazu ließen sie sie jeweils zwei Farben mit unterschiedlicher Erfolgsquote gleichzeitig ausprobieren.

Vorab rechneten die Forscher mit zwei unterschiedlichen Vorgehensweisen der Tiere: Eine wäre es, ausschließlich die Farbe mit der höchsten Erfolgswahrscheinlichkeit zu wählen. Dafür müssten die Bienen die Farben nach ihren Erfahrungen in eine Rangfolge einordnen. Die zweite wäre es, die vielversprechendste Farbe zwar am häufigsten zu wählen, aber auch andere Farben immer wieder auszuprobieren. In diesem Fall müssten die Bienen die Farben nicht vergleichen, sondern sich für jede Farbe die Erfolgswahrscheinlichkeit merken.

Der Praxistest ergab, dass Bienen die zweite Strategie verfolgen. Das galt sowohl für bekannte Farbkombinationen aus der Trainingsphase, als auch für Farben, die die Bienen im Training nur in Kombination mit anderen Farben, aber nicht miteinander erlebt hatten. Dadurch war den Wissenschaftlern klar, dass Bienen keine Rangfolge der Farben erstellen, sondern tatsächlich für jede einzelne Farbe die Wahrscheinlichkeit einer Belohnung hochrechnen. Die Strategie gilt als kognitiv weniger aufwändig, kann aber bessere Ergebnisse liefern. Denn wenn Wahrscheinlichkeiten von vornherein bekannt und unveränderlich sind, ist es am erfolgversprechendsten, immer die Blütenart zu wählen, die am ehesten eine Belohnung bereithält. Wenn aber erst während des Sammelflugs erkundet wird, wo am meisten Nektar angeboten wird, ist es sinnvoll, das Sammeln an vielversprechenden Blüten mit der Erforschung neuer Quellen zu kombinieren.



Um ihre Theorie zu untermauern, modellierten die Forscher am Computer ein neuronales Netz, das das Lernzentrum im Gehirn der Bienen imitiert. Sie trainierten dieses neuronale Netz mit der gleichen Kombination aus positiver und negativer Verstärkung, die sie zuvor mit Hilfe von Zuckerwasser und bitterer Flüssigkeit bei den Bienen eingesetzt hatte. Im Anschluss sollte es die gleichen Aufgaben lösen.

Und tatsächlich: Die Ergebnisse waren denen der echten Bienen sehr ähnlich. Ein Ranking der verschiedenen Stimuli ist demnach tatsächlich nicht notwendig, um das Verhalten der Insekten nachzubilden. Es genügt, anhand von Verstärkungslernen die jeweiligen Wahrscheinlichkeiten isoliert zu betrachten. Mit sehr simplen kognitiven Methoden gelingt es Honigbienen demnach, sich in komplexen Entscheidungssituationen optimal zu verhalten. 

https://royalsocietypublishing.org/doi/10.1098/rspb.2020.1525

Dienstag, 4. Januar 2022

Film über wilde Honigbienen im Wald

Der deutsch-französische Fernsehsender arte zeigt heute Abend um 18.30 Uhr den Dokumentarfilm "Im Wald der wilden Bienen" von Naturfilmer Jan Haft. Dessen neueste Produktion widmet sich wilden Honigbienen, die eine Schlüsselrolle in der Ökologie der Wälder einnehmen. Sie kämpfen gegen Wespen und aggressive Schmetterlinge und fallen selbst allerhand Räubern zum Opfer. Ein natürlicher Kreislauf. - Dennoch verschwand ihre Urform, die Dunkle Biene, fast vollständig aus Mitteleuropa. Wie konnte es dazu kommen? Der Film zeigt, wie es in einem wilden Bienenstock zugeht.

Die Dunkle Honigbiene, Apis mellifera mellifera, die seit Jahrtausenden heimische Urform der Honigbiene, war perfekt an die Pflanzen und das Klima in Mitteleuropa angepasst. Als Waldtier ist sie auf Spechte und deren Höhlen angewiesen, und von ihr wiederum profitiert eine Reihe anderer Waldbewohner. Die wilden Honigbienen bestäuben nicht nur Millionen von Blüten, sondern werden auch zu Millionen gefressen. Ihr Leben ist eng mit dem von Vögeln, Fledermäusen, Insekten, Bäumen, Blühpflanzen und vielen anderen verknüpft.