Der ökonomische Wert der Bestäubungsleistung durch Insekten dürfte weitaus höher sein als bisher vermutet: Allein in Deutschland generieren Bienen, Schmetterlinge und andere Bestäuber jedes Jahr einen Wert von 3,8 Milliarden Euro. Ihr weltweiter volkswirtschaftlicher Nutzen soll sich gar auf eine Billion US-Dollar belaufen.
Das ist das Ergebnis einer Simulationsstudie von Wissenschaftlern der Universität Hohenheim, die im Fachblatt "Ecological Economics" veröffentlicht wurde. Dass die Landwirtschaft ohne die kostenlose Dienstleistung der unzähligen tierischen Helfer bei der Bestäubung von Pflanzen und Bäumen alt aussähe, ist kein Geheimnis. In unseren Breitengraden sind es vor allem Honigbienen und ihre wilden Verwandten, Käfer, Schmetterlinge und andere Insekten, die Pollen von einer Pflanze zur nächsten tragen, während in den Tropen verstärkt auch Fledermäuse und Kolibris am Werk sind.
Mehrere Studien haben bereits versucht, den Wert dieser Leistung zu beziffern. Der Weltbiodiversitätsrat IPBES schätzte 2016 den Wert der tierischen Bestäubung auf jährlich zwischen 235 und 577 Milliarden US-Dollar. Eine aktuellere Studie geht davon aus, dass sich der Wert der Bestäubungsleistung von Honigbienen in den USA auf 6,4 Milliarden Dollar beläuft, während dort Wildbienen einen Produktionswert von 1,5 Milliarden Dollar pro Jahr schufen.
Die Hohenheimer Wissenschaftler berechneten nun mit einem neuen Bewertungsansatz, wie teuer der schlagartige Wegfall aller bestäubenden Tiere auf den Verbrauchernutzen in Deutschland und weltweit zu stehen käme und zwar direkt im Anschluss an den Ausfall der Bestäubungsleistung. "Bisher wurden solche Schätzungen auf der Basis von Annahmen zur langfristigen Anpassung der Agrarsysteme errechnet", erläuterte Studienleiter Christian Lippert. "Das ist aus unserer Sicht jedoch nicht korrekt, weil die langfristigen Anpassungsreaktionen sowohl der Agrarökosysteme als auch von Angebot und Nachfrage nicht absehbar sind." Deshalb simulierten die Wissenschaftler den wirtschaftlichen Verlust nur kurzfristig für das Jahr unmittelbar nach dem hypothetischen Ausfall aller Bestäuber, denn danach würden andere Mechanismen greifen und einen Teil wieder kompensieren. "So könnten in der Landwirtschaft beispielsweise verstärkt selbst- und/oder windbestäubte Sorten angebaut werden", fügte Lippert hinzu. Zudem könnten die Landwirte verminderte Ernten bis zu einem gewissen Grad durch Preisaufschläge ausgleichen. Das Nachsehen hätten die Verbraucher, die aufgrund der gestiegenen Preise tiefer in die Tasche greifen müssten. "Deswegen wäre in jedem Fall der größte Teil des volkswirtschaftlichen Verlusts von den Verbrauchern zu tragen."
Für die Simulationen nutzten die Wissenschaftler bereits bekannte Abhängigkeitsfaktoren. So verwendeten sie für verschiedene Nutzpflanzenarten Daten zum Anteil am Ertrag, der auf die Bestäubung durch tierische Helfer zurückzuführen ist. Bei Äpfeln und Kirschen ist der Anteil recht hoch: im Schnitt sind etwa 65 Prozent des Ertrags der Bestäubung durch Tiere zu verdanken. Bei manchen Pflanzen wie Kürbissen liegt der Anteil sogar bei 95 Prozent. Getreidearten wie Weizen und Reis hingegen sind Wind- oder Selbstbestäuber und benötigen keine fremde Hilfe. "Für Deutschland konnten wir uns auf veröffentlichte Schätzungen zur Nachfragereaktion stütze", erklärte Mitautor Arndt Feuerbacher. "Da die in der Literatur angegebenen Abhängigkeitsfaktoren jedoch einer großen Schwankungsbreite unterliegen, haben wir – basierend auf Annahmen zu deren Wahrscheinlichkeiten – Simulationen zu den möglichen Ertragsverlusten durchgeführt, um so einen Schwankungsbereich für den Verbraucherverlust zu ermitteln." Im Durchschnitt der Simulationen ergeben sich dabei die genannten 3,8 Milliarden Euro. Dieser jährliche Betrag würde rechnerisch ausreichen, um auf der Hälfte der deutschen Agrarflächen biodiversitätsfördernde Agrarumweltprogramme zu finanzieren. Diese können auf eine Änderungen der Bewirtschaftungspraktiken und eine Diversifizierung der Agrarlandschaft abzielen. Der weltweit angenommene Wert der Bestäubungsleistung von einer Billion US-Dollar ist doppelt so hoch wie die IPBES-Schätzung und entspricht einem Prozent des weltweiten Bruttoinlandsprodukts.
Die Autoren der Studie verwiesen auch darauf, dass ihre Schätzungen nur ansatzweise den Wert der Bestäuber beziffern können. "Natürlich können wir so nicht alle ökologischen Auswirkungen eines solch katastrophalen Ereignisses auf die Umwelt und den Menschen erfassen, die weit über die bloßen Schäden durch einen geringeren Ertrag hinausgehen", betonte Co-Autor Manuel Narjes. "Aber solche Schätzungen können das Bewusstsein für die Bedeutung intakter Ökosysteme schärfen und so einen Beitrag zum Erhalt der Artenvielfalt leisten."
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen