Biologinnen an der
Freien Universität Berlin haben den Zusammenhang von Schlaf und
Gedächtnisleistung bei Honigbienen erforscht. Ihre Versuche legen nahe, dass
die Insekten - ähnlich wie der Mensch - gelerntes Verhalten in Ruhephasen Revue
passieren lassen.
(C) Stephan Krause |
Es ist herbstlich kalt in Berlin, eigentlich kein Wetter für die Bienen. Trotzdem summt es laut im Institut für Neurobiologie der Freien Universität Berlin. In einem Gewächshaus mit Heizung wird einem Bienenstock Sommer vorgespielt, damit die Forscherinnen immer Nachschub an Bienen für ihre Experimente haben. Normalerweise merken sich Bienen die Farben und Düfte ertragreicher Blüten, doch bei dieser Witterung blüht nichts mehr. Hanna Zwaka holt die Bienen deshalb ins Labor und fixiert sie in dünnen Röhrchen: "Wir füttern die Tiere mit einer Zuckerbelohnung, und während wir sie mit der Zuckerbelohnung füttern, ist ein Wärmestimulus anwesend."
Wärmestimulus, das
ist in diesem Fall ein niedrig eingestellter Lötkolben. Schnell lernen die
Tiere, wenn es wohlig warm wird, gibt es Zuckerwasser - und in freudiger
Erwartung strecken sie schon vorab ihren Rüssel aus. Und das durchaus noch
einige Zeit nach der Lerneinheit: "Das ist sehr
unterschiedlich wie bei uns auch. Manche erinnern sich länger, über 72 Stunden,
und manche haben es schon nach 24 Stunden vergessen."
Entscheidend für das Gedächtnisexperiment war, dass es nicht nur zwei, sondern drei Komponenten gab, neben dem Zuckerwasser und der Wärme auch einen charakteristischen Duft. "Das heißt, es riecht in diesem Fall nach Hexanol, das ist kein besonders angenehmer Duft. Wir können den auch riechen und die Tiere eben auch. Also sie verknüpfen den Wärmestimulus mit dem Zucker und zusätzlich wissen sie, dass die ganze Zeit ein Duft anwesend ist."
Der Duft
symbolisiert sozusagen die Lernsituation. Die ist auch bei Menschen wichtig.
Wer in der Bibliothek Vokabeln paukt, der merkt sich nicht nur die Worte,
sondern auch unbewusst den Geruch der Bücher, die Stille, die Raumgestaltung.
Diesen Eindruck der Lernsituation nutzte Hanna Zwaka in der Nacht während die
Bienen schliefen. "Im Stock
setzen sich die Tiere hin, und die Antennen hängen dann nach unten, weil die
Tiere sich entspannen. Und genau das Gleiche haben wir auch gemacht: Wir haben
die Tiere beobachtet und gesehen, dass sie die Antennen nicht mehr bewegen. Und
immer, wenn sie sich über einen längeren Zeitraum nicht bewegen, haben wir die
Tiere mit dem Duft stimuliert, den sie schon aus der Lernsituation
kannten."
Am nächsten Tag dann
erinnerten sich die bedufteten Bienen deutlich besser an den Zusammenhang Wärme-Zuckerwasser, als jene Insekten, die einfach so geschlafen hatten. Nun wird
es nachts im Bienenstock eher nach Honig duften, als nach Blumenwiese, die Sache
mit dem Duft ist also eine recht künstliche Situation. Doch Hanna Zwaka ist
davon überzeugt, dass ihr Experiment nur einen natürlichen Mechanismus
zusätzlich verstärkt. "Ich glaube,
dass dieser Vorgang von alleine passiert. Das Gelernte wird im Schlaf
wiederholt, und durch unseren Duft können wir nur die Anzahl der Wiederholungen
erhöhen - und dadurch erinnern sich die Tiere besser. Die anderen erinnern sich
ja auch."
Auch wilde Bienen
lassen wohl im Schlaf den Tag Revue passieren und können sich so besser an
ergiebige Blumenwiesen erinnern. Bei Menschen ist das im Übrigen ganz ähnlich,
der Schlaf stärkt das Gedächtnis. Und der Geruch des Vokabelbuchs unter dem
Kopfkissen kann dabei durchaus hilfreich sein. "Solche
Versuche wurden auch bei Menschen gemacht. Die erinnern sich besser, wenn
sie den Duft in Tiefschlafphasen vorgespielt bekommen. Und das Faszinierende
ist: bei Insekten funktioniert das offensichtlich genauso. Was bedeutet, dass
der Zusammenhang von Schlaf und Gedächtnis evolutiv älter ist als wir bisher
angenommen haben."
Das ist gut für
Forscherinnen wie Hanna Zwaka, denn nun können sie dem Zusammenhang Schlaf und
Gedächtnis an Insekten bis ins molekulare und genetische Detail nachgehen.
Vielleicht klärt sich dann auch die Frage, ob Bienen eigentlich träumen. "Ich kann mir
schon vorstellen, dass, wenn wir dem Tier den Duft vorspielen, dass die Biene in dem
Moment die Situation nochmal durchläuft, und vielleicht ist so etwas im
weitesten Sinne so etwas wie träumen."
Publikation mit freundlicher Genehmigung von Volker Wildermuth
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