Samstag, 24. April 2021

Bestäubersysteme auch unter dem Meer

Zum ersten Mal haben Forscher Beweise dafür gefunden, dass Unterwasserökosysteme Bestäuber haben, die die gleiche Aufgabe erfüllen wie Bienen an Land. Genau wie ihre terrestrischen Cousins werfen Gräser im Meer Pollen ab, um sich zu vermehren. Bisher waren Biologen davon ausgegangen, dass die Pflanzen sich allein auf das Wasser verließen, um ihre Gene zu verbreiten. Aber die Entdeckung von Pollen tragenden "Bienen des Meeres" änderte die traditionelle Sichtweise.

Forschern der Nationalen Universität von Mexiko gelang es, über mehrere Jahre die nächtlichen Wanderungen von Krebstieren im Frühling zwischen den Schildkröten-Seegraswiesen Thalassia testudinum zu filmen. Bei der Durchsicht der Videos entdeckten sie mehr Wirbellose, die männliche Blüten mit Pollen trugen, als solche, denen Pollen fehlten - genau wie Bienen, die an Land um pollenproduzierende Pflanzen schwirren.

"Wir haben gesehen, wie all diese Tiere hereingekommen sind, und dann haben wir gesehen, wie einige von ihnen Pollen trugen", sagte Forschungsleiterin Brigitta van Tussenbroek. Das Konzept sei so neu gewesen, dass sie einen Begriff für das Phänomen erfinden mussten: zoobenthophile Bestäubung. Vor der Entdeckung war kein Experte je davon ausgegangen, dass Tiere an der Bestäubung von Meerespflanzen beteiligt sein könnten.

Van Tussenbroek und ihr Team fragten sich, ob die Wirbellosen tatsächlich die Seegräser bestäubten oder sich nur davon ernährten. Daher fügten sie einem Aquarium mit Schildkrötengras eine Auswahl winziger Krebstiere hinzu. Binnen Minuten waren Pollen auf den weiblichen Blüten aufgetreten, verglichen mit keiner Übertragung im Kontrolltank, in dem sich keine Krebstiere befangen. Die Botschaft wurde klar: Die winzigen Krebstiere trugen Pollen von Blume zu Blume. Dabei halfen sie, diese zu vermehren. Die Forscher vermuten, dass die Tiere von dem klebrigen Pollen der männlichen Seegrasblüten angezogen werden. Wenn die Krebstiere sich an den Blüten zum Fressen aufhalten, haften sich Pollen an den Tierkörpern an, die beim Weiterfressen auf andere Blüten übertragen werden.

Bisher wurde das Phänomen nur bei Schildkrötengras entdeckt, das besonders große Blüten trägt. Derzeit werden aber 60 andere Seegrasarten untersucht, ob sie ebenfalls "Meeresbienen" zur Verbreitung ihrer Pollen nutzen. Kelly Darnell von den Wasserforschern im Golf von Mexiko: "Dass es unter Wasser zu einer Bestäubung durch Tiere kommen kann, fügt dem Ökosystem eine völlig neue Komplexität hinzu. Es handelt sich um eine interessante Pflanzen-Tier-Interaktion, die noch weiter untersucht werden muss." Wenn es mehr Informationen über die Pflanzen- und Tiergemeinschaften gebe, gelinge ihr Schutz besser.

Küstenwiesen aus Seegras sind wichtige Ökosysteme. Sie unterstützen nicht nur verschiedene Tiergemeinschaften - von winzigen Krebstieren bis hin zu großen Meeressäugern wie dem Dugong, der oben im Bild festgehaltenen Seekuh-Art - sondern ihre Wurzeln halten sich auch am Sediment fest und verhindern Erosion. Zusätzlich gewinnen die Seegraswiesen als Kohlenstoffspeicher an Bedeutung, seit klar ist, dass zwei Hektar Tropenwald erforderlich sind, um die Menge zu erreichen, die in einem Hektar Seegras enthalten ist. 

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