Viele Pflanzen schließen ihre Blüten zu ganz bestimmten Tageszeiten. Dieses Phänomen beobachtete der schwedische Naturforscher Carl von Linné schon im 18. Jahrhundert und entwickelte daraufhin eine "Blumenuhr", mit der er anhand der typischen Blühzeiten verschiedener Blütenpflanzen die Uhrzeit bis auf wenige Minuten genau bestimmen konnte. Das Konzept basiert auf dem Zeitpunkt, an dem die Blumen ihre Blüten öffnen und wieder schließen. Bisherige Studien zeigen, dass die Blühzeit vor allem durch Licht und Temperatur bestimmt wird. Auch der Tag-Nacht-Rhythmus der Pflanzen und die verfügbare Feuchtigkeit scheinen die Blühzeit zu beeinflussen.
Wiesenpippau, Bild: photosforyou |
Göttinger
Wissenschaftler konnten am Beispiel des Kleinköpfigen Pippau (Crepis
capillaris) nun zeigen, dass ein weiterer Faktor eine entscheidende Rolle
spielt: bestäubende Insekten. Diese können die Blumenuhr zumindest bei
löwenzahnartigen Korbblütlern "nachgehen" lassen. Die Wissenschaftler fanden
heraus, dass sich einige Blumen nur dann zu der üblichen Uhrzeit am Mittag oder
am frühen Nachmittag schließen, wenn die Blüten rechtzeitig bestäubt werden.
Geschieht dies nicht, schließen sich die Blüten erst gegen Abend.
Mit einem Experiment
konnten die Wissenschaftler zeigen, dass für das Schließen der Blüten
tatsächlich die Bestäubung ausschlaggebend ist. Sie bestäubten per Hand in einem
abgeschlossenen Käfig Pippau-Blüten, die sich daraufhin bereits nach ein bis
zwei Stunden zu schließen begannen. Die gleiche Reaktion zeigten in
Nachfolgestudien die Korbblütler Wiesen-Pippau (Crepis biennis L.) und
Herbst-Löwenzahn (Leontodon autumnalis L.). Der Gewöhnliche Löwenzahn
(Taraxacum officinale) reagierte hingegen nicht auf die manuelle Bestäubung.
Feldstudien
bestätigten den Einfluss der Bestäubung auf ein vorzeitiges Schließen der
Blüten. Wie schnell sich die Blüten nach der Befruchtung schließen, hängt dabei
auch von der Quantität und der Qualität des Pollens ab. Der Besuch einer Biene
hat demnach einen größeren Effekt als der Besuch einer Schwebfliege, die
weniger (artspezifischen) Pollen im Gepäck hat. Die Wissenschaftler nehmen an,
dass die Blume an Tagen oder an Orten mit wenigen bestäubenden Insekten ihre
Blüten länger offen hält, um die Wahrscheinlichkeit einer Befruchtung zu
erhöhen. Ist die Blüte auch am Abend noch nicht befruchtet, schließt sie sich
über Nacht und geht am kommenden Tag erneut auf. Wie genau die Pflanze
dabei die effektive Befruchtung wahrnimmt und das Signal zum Blütenschließen
gibt, müssen weitere Studien klären.
Die meisten Blüten
der löwenzahnartigen Korbblütler werden bereits in den ersten Tagesstunden
bestäubt, so dass sich deren Blüten bereits um die Mittagszeit schließen.
Dieses Schließen der Blüten wirkt sich auch auf die Bestäubung der anderen
Pflanzen aus. In Wiesen, in denen viele Korbblütler vorkommen, gibt es Bienen,
die sich auf diese Blüten "spezialisiert" haben und nachmittags keine weiteren
Blumen mehr bestäuben. Andere Bienen wechseln dagegen am Nachmittag zu anderen
Blumenarten: So bleiben beispielsweise die Blüten der Schafgarbe (Achillea
millefolium) auch später am Tag geöffnet und werden vermehrt am Nachmittag
bestäubt.
Die Studie konnte zeigen, dass ein Rückgang bestäubender Insekten zu einem verspäteten
Blütenschluss und damit zu bisher nicht beachteten Verschiebungen bei den
Pflanzen-Bestäuber-Nahrungsnetzen führt. Zukünftige Freilanduntersuchungen
sollten die tageszeitliche Dynamik der Pflanzen-Bestäuber-Interaktionen
berücksichtigen, da diese Untersuchungsergebnisse verzerren können. Die schnelle
Reaktion der Blüten auf eine erfolgreiche Bestäubung könnte in Zukunft auch
dazu genutzt werden, den Bestäubungserfolg zu messen, ohne erst die Entwicklung
der Samen abwarten zu müssen.
Abdruck mit freundlicher Genehmigung von Pflanzenforschung.de
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