Samstag, 21. Januar 2023

Debatte über Impfung gegen Faulbrut

In Imkerkreisen wird die Nachricht aus den USA über die Bekämpfung der Amerikanischen Faulbrut (AFB) mittels einer "Schluckimpfung für Honigbienen" aktuell intensiv diskutiert. Das Bieneninstitut Celle des niedersächsischen Landesinstituts für Lebensmittelsicherheit nimmt folgendermaßen Stellung: 


Insekten zu impfen, das hört sich erst einmal unmöglich an, da Insekten wie alle wirbellosen Tiere, Krankheitserreger nur mit Hilfe des sogenannten unspezifischen oder angeborenen Immunsystems abwehren können. Dieses Immunsystem bildet aber kein Immungedächtnis aus, wie es für Impfungen notwendig ist. Impfungen funktionieren daher nur bei Wirbeltieren, zu denen der Mensch zählt, die zusätzlich zum angeborenen das sogenannte spezifische oder erworbene Immunsystem besitzen. Dieses kann bei Kontakt mit einem Erreger oder nach einer Impfung Antikörper und Gedächtniszellen bilden. Nur dadurch sind wir nach einem Krankheitserreger-Kontakt durch Antikörper auch zukünftig gegen diese Erreger geschützt.

Bei Bienen wurde aber vor einigen Jahren ein weiterer Abwehrmechanismus entdeckt, bei dem die Königin eines Bienenvolks ihre Nachkommen durch einen Immunisierungseffekt von ihrem Schlupf an auf Krankheiten vorbereiten kann. Somit erfolgt bei den Honigbienen sogar eine generationsübergreifende Immunvorbereitung. Dabei spielt das Protein Vitellogenin eine entscheidende Rolle. Das ist bekanntlich ein Protein, welches unter anderem bei der Produktion der Bieneneier in einer Königin wichtig ist. Es kommt in der Hämolymphe sowie im Futtersaft der Honigbienen vor.

Wie erklärt sich dieser generationsübergreifende Schutzmechanismus?
Nehmen erwachsene Bienen, einschließlich der Ammenbienen, Bakterien mit der Nahrung auf, so passiert ein Teil davon das komplette Darmsystem und sie werden später unschädlich außerhalb der Bienenwohnung mit dem Kot ausgeschieden. Das gilt auch für den AFB-Erreger Paenibacillus larvae. Einige der aufgenommenen Bakterien werden jedoch verdaut und dabei quasi "zerstückelt". Verdaute Bakterien-Bruchstücke gelangen dann über den Darm der erwachsenen Bienen in deren Hämolymphe. Dort treffen sie auf das Vitellogenin und binden sich an dieses. Dieses Protein wird durch den Bienenkörper transportiert und gelangt so in die Futtersaftdrüsen der Ammenbienen. Die Bienenköniginnen werden mit dem Gelée Royal der Ammen gefüttert, das die angehefteten Bakterienbruchstücke enthält. Man könnte sagen, auf diese Art erhält die Bienenkönigin eine Art "Schluckimpfung" durch ihre Ammenbienen. In ihrem Körper binden diese Bakterienfragmente wieder an das Vitellogenin und gelangen mit diesem Eidotterprotein in die Oocyten. Damit erhalten die wachsenden Embryos quasi ein Signal, um sich später gegen Krankheiten besser wehren zu können. Im Ergebnis gibt die Königin so einen Immunisierungseffekt an ihre Nachkommen weiter.

Diesen generationsübergreifenden Schutzmechanismus versucht man sich nun gegen Bienenkrankheiten, wie die AFB, mittels eines Impfstoffs zunutze zu machen. Der Impfstoff wird aus abgetöteten P.-larvae-Bakterien hergestellt und über die Arbeiterinnen an die Bienenkönigin verfüttert.

Es gilt festzuhalten: Das Thema ist grundsätzlich wissenschaftlich hochspannend, aber ein noch nicht gänzlich erforschtes neues Themenfeld.

Erste Laborversuche zeigen eine gewisse, aber unzureichende Wirkung
Im vergangenen Jahr wurden Untersuchungen veröffentlicht, die mit der Zielsetzung durchgeführt wurden, einen Impfstoff zur Bekämpfung der AFB in den USA zu entwickeln [Dickel et al. (2022) Front. Vet. Sci. 9:946237. doi: 10.3389/fvets.2022.946237]. Für diese Versuche wurden zunächst die Königinnen mit Begleitbienen in kleinen Käfigen direkt über das Futter und mit dem "Impfstoff" versorgt, bevor sie in Vollvölkern eingeweiselt dann zur Eiablage schritten. Deren Nachkommen und die der Placebo-Gruppe wurden dann in Laborversuchen auf ihre AFB-Anfälligkeit getestet. Das heißt, den Larven der Versuchsgruppe wurden AFB-Sporen mit dem Futter im Labor zugegeben. Die Kontrollgruppe erhielten nur Larvenfutter. Für das Ausgangsmaterial des Impfstoffs wurde auf den AFB-Erreger-Genotyp ERIC I zurückgegriffen.

Mit den Laborversuchen konnte gezeigt werden, dass Bienenlarven, also Nachkommen von geimpften Königinnen, eine etwa 30- bis 50-prozentige Resistenz gegen den Erreger der AFB aufwiesen. Die übrigen Larven erkrankten beziehungsweise starben. Schon diese Ergebnisse zeigen deutlich, dass selbst unter kontrollierten Laborbedingungen die Impfung keinen sicheren Schutz gegen die AFB darstellt. Die Untersuchungen werfen zudem verschiedene Fragen auf. So wurde in den Laborversuchen nicht die gesamte Metamorphose der Larven abgewartet. Beim Erreger-Genotyp ERIC I ist jedoch bekannt, dass nach erfolgter Infektion selbst Larvenstadien erst spät absterben können. Unter natürlichen Bedingungen im Bienenvolk wäre das dann die Zeit der Entwicklung nach der Verdeckelung. So sind in den publizierten Untersuchungen womöglich die Infektions- und Todesraten der Larven im Ergebnis unterschätzt und damit nicht realistisch abgebildet worden. Außergewöhnlich hoch waren in diesen Untersuchungen zudem die unerklärlichen Versuchsvölker-Ausfälle mit etwa 30 Prozent, aus denen die Larven für die Laborversuche gewonnen werden sollten. Dies betraf sowohl die Impf- als auch die Placebo-Gruppe und war unabhängig vom Versuchsstandort Österreich beziehungsweise Spanien. Ebenso wenig geklärt wurde, wie lange der generationsübergreifende Schutzmechanismus bei einer Königin überhaupt anhält. Bisherige Untersuchungen zeigen nur eine zeitlich begrenzte Wirkdauer. Bei Königinnen, die ein Alter von etwa vier, fünf Jahren erreichen können, wäre zumindest eine Impfschutzspanne von einem Jahr wünschenswert. So weit aber ist man offensichtlich noch nicht.

Überträgt man allein die wenigen vorhandenen Laborergebnisse auf die Bedürfnisse der hiesigen Imkerpraxis, kann jetzt schon geschlussfolgert werden, dass eine Resistenz gegen den AFB-Erreger von 30 bis 50 Prozent keinesfalls ausreicht – handelt es sich doch bei der AFB um eine anzeigepflichtige Bienenseuche, die nach einem örtlichen Ausbruch getilgt werden soll.

Es gilt festzuhalten: die bisherige Datenlage aus Laborversuchen zeigen eine gewisse, aber grundsätzlich unzureichende Wirkung. Es bestehen noch viele ungeklärte Fragen.

Die Bekämpfungsstrategie in den USA setzt auf den Einsatz von Antibiotika
Zunächst sei hervorgehoben, dass sich die Bekämpfung der AFB in der Imkerei in den USA wesentlich auf den regelmäßigen und präventiven Einsatz von Antibiotika (Tetracycline) stützt. Allerdings kann der Einsatz von Antibiotika die Faulbrut bekanntlich nicht eliminieren. Es werden lediglich deren klinische Symptome im Bienenvolk unterdrückt. Diese Praxis führt dazu, dass in einigen Regionen der USA mehr als 50 Prozent der Völker mit P. larvae infiziert sind. Nach Jahrzehnten des Einsatzes sind inzwischen jedoch Resistenzen bei den Bakterien entstanden, wonach diese Antibiotika ihre Wirksamkeit zunehmend verlieren und ein Ersatz dringend notwendig ist. In Deutschland ist der Einsatz von Antibiotika in Bienenvölkern nicht zugelassen und dank der langjährigen und erfolgreichen Bemühungen, die AFB über Früherkennungen zurückzudrängen, sind nur maximal fünf bis zehn Prozent der Völker mit P. larvae infiziert. Diese werden häufig frühzeitig erkannt und können saniert werden.

Es gilt festzuhalten: Die Bedingungen in den USA und in Deutschland, auch in Bezug auf die Notwendigkeit einer "Impfung", sind nicht vergleichbar.

Bislang gibt es in den USA lediglich eine bedingte/vorläufige und zeitlich begrenzte Genehmigung (conditional approval). Das Landwirtschaftsministerium der Vereinigten Staaten hat einem Start-up Unternehmen (Dalan Animal Health) eine bedingte/vorläufige und zeitlich begrenzte Genehmigung zu ersten Untersuchungen der "Impfung" unter Feldbedingungen erteilt. Dafür sind wenige Imkereibetriebe ausgewählt worden.

Es gilt festzuhalten: Klar ist, es gibt bislang keine generelle Zulassung des Impfstoffs in den USA, noch gibt es bislang überhaupt Erfahrungen mit der Impfung in der praktischen Imkerei. Zunächst gilt es, die Ergebnisse dieser ersten und allenfalls orientierenden Studie abzuwarten.

In Deutschland werden die bisher erfolgreichen AFB-Präventionsmaßnahmen und die Bekämpfungsstrategie weiterhin Bestand haben.
Die überschaubare Anzahl jährlicher AFB-Ausbruchsfälle in Deutschland - 72 Ausbrüche im vergangenen Jahr - zeigt, dass das früher übliche, großflächig seuchenhafte Ausbruchsgeschehen inzwischen nicht mehr vorkommt und die Schulung und Sensibilisierung der Imkerschaft, die AFB-Frühdiagnose, das AFB-Monitoring und die gezielte Tilgung nach einem örtlichen AFB-Ausbruch zielführend sind. Nur so kann es auch zukünftig weitergehen.

Es gilt festzuhalten: Von einer Impfung gegen die AFB ist man weltweit noch weit entfernt, sofern sie überhaupt je für die Praxis sich eignen wird.

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