Samstag, 19. Februar 2022

Sind Apfelbäume und Rapsfelder Konkurrenten im Kampf um Bestäubung?

In Deutschland wird immer mehr Raps angebaut. Die gelben Äcker buhlen genau zur Apfelblüte um Bestäuberinsekten. Werden dadurch beide Sorten weniger bestäubt oder ist eine Frucht die Verliererin in dem Attraktivitätswettbewerb. Diese Frage wollten Wissenschaftler der Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg um den Zoologie-Professor Robert Paxton beantworten. Sie fanden heraus, dass Honigbienen zwar den Raps eindeutig bevorzugten, dass im Gegenzug aber mehr Wildbienen die Apfelbäume aufsuchten und auch dort für eine ausreichende Bestäubung sorgten.


Honigbienen seien auf Effektivität gepolt, erklärte Julia Osterman, mittlerweile wissenschaftliche Mitarbeiterin am Lehrstuhl für Naturschutz und Landschaftsökologie in Freiburg. Und weil Apfelblüten weniger Nektar als Rapsblüten produzierten, schienen Apfelbäume eigentlich im Nachteil. Das Team erwartete, dass die Massenblüte von Raps entweder die Bestäubung der Apfelbäume verringert, weil mehr Insekten die Äcker anflögen, oder aber erhöht, weil vom Raps angelockte Bestäuber auch vermehrt die Apfelbäume anflögen.

Die Forscher dokumentierten deshalb an zwölf Standorten in Sachsen-Anhalt die Blütenbesucher in Apfelanlagen, in deren Umgebung jeweils unterschiedlich viel Raps angebaut wurde. Das Ergebnis fiel aber nicht so plakativ aus wie erwartet. Der Raps beeinflusste tatsächlich die Bestäubung der Apfelblüten. Völker, die in der Apfelplantage aufgestellt wurden, blieben aber nur dann dort, wenn kein Rapsfeld in der Nähe war. Die Sammlerinnen nahmen sogar weite Wege auf sich, um Nektar und Pollen von Raps zu sammeln. Während Osterman und ihre KollegInnen in den Apfelbäumen die übliche Zahl an Hummeln nachweisen konnten, trafen sie deutlich mehr Wildbienen in den Bäumen an, wenn Rapsfelder in der Nähe waren. Die meisten Wildbienen seien in Apfelanlagen angetroffen worden, die direkt von Raps umgeben waren, erklärte Robert Baxton. Als Grund vermutete er die Konkurrenzsituation. Da die Honigbienen einen größeren Sammelradius hätten, würden sie leichter weggelockt. Wildbienen blieben dagegen stabiler an ihrem Standort und könnten so Bestäubungslücken ausgleichen.

Diese Theorie wurde durch den Teil der Studie gestützt, in der neben den Insekten selbst auch deren Bestäubungsleistung dokumentiert wurde. Dafür wurde ein Teil der Apfelblüten mit einem Netz überzogen, so dass diesenicht von Honig- und Wildbienen besucht werden konnten - um den Effekt nachzuvollziehen, was passiert, wenn natürliche Bestäuber fehlten. "Klar ist, dass sich ohne die Bestäubung von Insekten kaum Äpfel bilden", sagte Osterman. Unerwartet sei dagegen die Erkenntnis gewesen, dass sich sowohl auf Anlagen mit Raps als auch ohne Raps genauso viele Äpfel herausbildeten. Der Frucht- und Samenansatz der Apfelbäume blieb auch ohne die übliche Zahl an Honigbienen im Obstgarten bestehen. Nur das stabile Vorkommen der Hummeln und das erhöhte Aufkommen von Wildbienen könne den Verlust der Honigbienen ausgeglichen haben, zeigten sich die Wissenschaftler überzeugt. "Lokale Wildbienenpopulationen können gerade durch ihren kleineren Wirkungskreis besonders effektiv bestäuben, wenn dies durch das Ausbleiben der Honigbienen nötig wird", resümierten die Forscher.


Für Obstbauern sei es deshalb besonders sinnvoll, die Ansiedlung von Wildbienen zu fördern. Kommerziell gehaltene Honigbienen spielten zwar weiterhin eine wichtige Rolle bei der Bestäubung von Apfelbäumen, aber Hummeln und andere Wildbienen könnten lukrativer werden, wenn Honigbienen von anderen Nahrungsangeboten abgelenkt werden", erklärte Osterman. Als mögliche Maßnahmen nannte sie das Anlegen von Blühstreifen und speziellen Nisthilfen. Allerdings sei dabei zu beachten, dass einige Arten unterirdisch nisteten und offene Bodenstellen benötigten. Andere besiedelten dagegen alte Scheunenmauern oder Steilwände. Und natürlich benötigten die Wildbienen auch außerhalb der Obstbaumblüte Nahrung. Das dürfe nicht aus den Augen verloren werden.

Quelle: Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg, Fachartikel: Agriculture, Ecosystems and Environment, doi: 10.1016/j.agee.2021.107383

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